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Musik für den Film - allerdings nur in deinem Kopf


Als ich das Album von Urbs seinerzeit gekauft habe, bin ich sehr lange fest davon ausgegangen, dass es sich um die Filmmusik eines französischen Avantgardefilms handeln muss, welche dann das Wiener Vorzeigelabel in Sachen Couch-Potatoe-Soundtrack, nämlich G-Stone Recordings, veröffentlicht hat. Die Ursache meiner irrtümlichen Annahme liegt zum Einen am Titel und am Cover Artwork, zum Anderen kann man sich die Musik sehr gut als Untermalung von Filmszenen vorstellen. Mir selbst fehlt leider völlig der Zugang zu dem Medium "Film und Kino", daher kann ich nun nur mit Mühe einen Film nennen, der zu dem Sound passen würde.


Sicher ist, dass er in einer Großstadt spielen müsste. Sowohl der Opener "So weit“, als auch Tracks wie "Operation W" oder "The Lords Dub“ würden mit Sicherheit in einem verrauchten Swing- oder Jazzclub der 20er Jahre gut klingen. Und die gab es in Wien, Paris oder Berlin mutmaßlich häufiger als in Bruchsal.  Dagegen ist zum Beispiel "Incident" oder "Truly Majestic“ filmisch eher dazu geeignet den Spannungsbogen aufzubauen und hochzuhalten, erfreulicherweise ohne beklemmend zu werden.



Es handelt sich hier jedoch gar nicht um einen Soundtrack, sondern ein "normales" Album. Unter dem Pseudonym Urbs hat Paul Nawrata in 2005 eine wirklich gute Downbeat/Lounge-Platte herausgebracht, die sich tatsächlich von dem Lounge-Einheitsbrei, den man für 5,- auf iTunes downloaden kann, abhebt. Das liegt mit Sicherheit nicht zuletzt an dem veröffentlichenden Label G-Stone, dem Plattenlabel der beiden Wiener Musikproduzenten und DJs Richard Dorfmeister und Peter Kruder.


Nur am Rande mal erwähnt - wer sich beispielsweise mal “The KD Sessions“ von Kruder und Dorfmeister mal wieder bewusst anhört, wird merken, wie zeitgemäß dieser Sound heute immer noch ist. Das hat mit Kaffeehausgeblubbere nicht viel zu tun, sondern breakte und wobbelte damals schon ziemlich innovativ vor sich hin.


Auf "Toujours le meme film" breakt und wobbelt nicht so viel. Dafür sind die meisten Tracks einfach schön zum Hören. Das geht beim Essen, zu zweit auf dem Sofa oder auf einer Reise. "Drive Anywhere" laut auf dem Kopfhörer klingt im Zug oder Flugzeug sicherlich toll und lässt einen die Gedanken entfalten, die es braucht, um sich auf das Ziel und auf das, was dann passieren wird, zu freuen. Und das ist für einen Soundtrack, der keiner ist, doch schon eine ganze Menge.



From disco to disco - Everybody is trying to get down


An diesen wunderbar eingängigen Hit von Whirlpool Productions musste ich unweigerlich denken, als ich das Album zum ersten Mal komplett durchhörte. Die beiden Disclosure Brüder scheinen das Herz am rechten Fleck - nämlich neben einer strahlenden Diskokugel - zu tragen.


Das beginnt schon mit dem ersten Track - meinem persönlichen Favouriten – “When The Fire Starts To Burn“ ist ein funky Chicago House Track, der so dermaßen sexy auf den Punkt produziert ist, dass man sich direkt auf die Tanzfläche des legendären Warehouse im Jahre 1986 versetzt fühlt. Aber keine Sorge, dass Album verneigt sich nicht nur vor Housetraditionen, sondern bewegt sich frisch auf allen möglichen Dancefloors einer crediblen Großraumdisko. Latch beispielsweise ist schon sehr poppig, während sich White Noise zusammen mit AlunaGeorge sich irgendwo zwischen Garagehouse und 90er Jahre Dancefloorsound verortet. So bounct und grooved es munter durch das ganze Album und wird keine Sekunde langweilig.

Sicher, der vom eigenen Anspruch gezeichnete geneigte Burial-Hörer wird das Album als way too cheesy abkanzeln. Auch wenn es mit der Kollaboration mit London Grammar "Help Me Loose My Mind“ auch mal etwas experimenteller wird. Die ganz große musikalische Kunst ist das Album nämlich beim besten Willen nicht. Aber das muss es auch nicht sein. Das ist Popmusik für den Sommer und nicht für den herbstlichen Sonntagmorgen im Berghain.


Ich stelle übrigens beim Recherchieren fest, dass sich die Protagonisten eures Lieblingsmusikblogs nicht nur durch einen exquisiten Musikgeschmack auszeichnen, sondern auch dadurch, dass wir regelmässig jeden Hype verschlafen. Band und Album wurden im vergangenen Jahr von so ziemlich jedem Magazin oder Blog in den Himmel gelobt. Ich bin letzte Woche eher zufällig darauf aufmerksam geworden, weil ich einen recht guten dubsteppigen Flume Remix von You & Me entdeckt habe. Naja, besser spät als nie.



2005 noch auf dem Brutalga Square unterwegs


Auf den Herrn Kozalla konnten sich im letzten Jahr fast alle einigen. Vom gesichtstätowierten Stiernackenraver, über den vegan lebenden Vollbarthipster bis hin zum zarten 'Nices Wölkchen’ find ich toll - Indiemädchen oder dem Spiegel-Feuilleton - alle fanden Kozes Album “Amygdala" super. Laut.de schreibt von "warmen, karamelligen Tunes, gerne mit Songstruktur versehen", während der Spiegel folgendermaßen schwärmt: "Und immer wieder Augenblicke, da alles Elektronische sich ins Psychedelische verflüssigt und ins Ozeanische mündet." Das finden wir auch. DJ Koze ist ein überragender Künstler und hat ein tolles und vielfältiges Album produziert. Abgesehen davon hat er die richtige Haltung und eine wohltuende Abgegrenztheit zur elektronischen Feiermonokultur, wie er in zahlreichen Interviews gekonnt zum Ausdruck bringt.



Koze hatte allerdings davor schon einige ganze Reihe von sehr starken Veröffentlichungen und das Album "Kosi comes around" steht da meiner Meinung nach "Amygdala" qualitativ in nichts nach. Es ist allerdings weniger konsensfähig, sondern orientiert sich eher an den technoiden Sets, für die Koze nicht ganz unbekannt ist. Schon der Opener "Estrella" hat vermutlich auf mancher Afterhour die ein oder andere Synapse verknotet, während "Raw" oder auch "Don't Feed The Cat" im richtigen Moment die Tanzfläche subtil in Brand setzen können. "The Geklöppel Continues“ und mein persönlicher Lieblingstrack - "Brutalga Square" - machen das auch, allerdings schon nicht mehr ganz so subtil. Aber - und dafür wird Koze zurecht nicht nur von uns verehrt - hat jedes noch so derbes Technobrett viele überraschende Elemente und intelligente Sounds, die die Tracks keine Sekunde langweilig klingen lassen.


"Kosi Comes Around" ist übrigens kein reines Technoalbum. Mit "Barock Am Ring" oder auch "Chiminea" sind auch ambientlastige Soundexperimente, der etwas schwereren Kost vertreten. Einen gemeinsamen Nenner haben nämlich alle seine Veröffentlichungen, Koze macht es dem geneigten Hörer nicht leicht, sondern er fordert. Deshalb empfehle ich sehr, das Album auch nicht nur im entrückten Clubrausch zu konsumieren, sondern ruhig auch mal bewusst und wach auf dem Kopfhörer zu hören. Es lohnt sich, Stefan Kozella hat viel zu erzählen. In seinen Tracks und im folgenden Interview:


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