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Wir haben uns in die Historie elektronische Musik eingearbeitet und ca 1,5 Stunden deepen Detroit Techno mit ordentlich Hall und Tiefe zusammengemixt.




Wer sich mit den Hintergründen von Detroit Techno ein bisschen beschäftigen möchte, dem sei folgender Vice Artikel ans Herz gelegt https://www.vice.com/de/article/ypjzxw/genre-fr-dummies-detroit-techno-808


Wir zitieren derweil Derrick May: „Die Philosophie, die seit Beginn hinter dem Begriff Techno aus Detroit steht, meint Individualität, Innovation, to be first and on top, und befindet sich in erklärtem Gegensatz zu dem, was wir schon immer unter bürgerlichem Konformismus verstanden haben, unter Industriedienlichkeit und Kommerzialisierung. Techno sollte den Menschen eine Alternative sein.“



Unser heutiges Mixtape liegt uns besonders am Herzen. Es ist nicht nur eine Aneinanderreihung von Tracks, es ist vielmehr die musikalische Beschreibung einer Zeit, in der sich unsere unsere Freundschaft entwickelt hat und in der wir gemeinsam tief in das Hamburger Nachtleben eingetaucht sind. Wir haben die Tracks selektiert, die uns besonders an diese Zeit - 2000 bis ca. 2010 - erinnert und die wir mit besonderen Momenten an diese Zeit verbinden.



Wir kannten uns schon bevor wir nach Hamburg kamen, weil wir Beide im gleichen Göttinger Club - dem Electroosho - aufgelegt haben. Christian bereits seit Anfang der 90er Jahre crediblen House- und Technosound an den Freitagen und ich eine wilde Mischung aus HipHop, Charts, Alternative und Dance an jedem zweiten Mittwoch. Wir kannten uns zwar, haben aber faktisch nicht miteinander gesprochen. Richtig kennengelernt haben wir uns dann auf der Tanzfläche des alten Hamburger Mojo Clubs.

Von da an haben wir unsere gemeinsame Leidenschaft für elektronische Musik an fast jedem Wochenende zelebriert. Vornehmlich in zwei Clubs - der Tanzhalle und dem Click.

Die Tanzhalle war ein kleiner Club am oberen Ende der Silbersackstrasse. Der freundliche Türsteher mit langen Haaren und einem sehr deeskalierenden Gemüt hat einem die Tür geöffnet, an der Kasse war die Garderobe und dann ging die Tür auf und man war mittendrin. In der Tanzhalle, die ausschließlich aus Theke und Tanzfläche bestand. Reduzierte Lichtanlage und dafür ein top Soundsystem. Hinter der Bar standen ausnahmslos sympathische Leute aus dem Viertel, die öfters mal einen Schnaps mitgetrunken und generell gerne mitgefeiert haben. Das Booking des Clubs war ausnahmslos gut. Fantastische Hamburger Locals wie „Deine Villa“, Tobi Schmid oder Michi Lange und national bekanntere Namen wie Michael Mayer oder Robag Wruhme haben vornehmlich an jedem Freitag und Samstag aufgelegt und uns tolle Nächte bereitet. Das besondere an der Tanzhalle war der ausschließliche Fokus auf die Musik - keine aufwändige Lichtanlage, kein großer Barbereich zum sehen und gesehen werden und dementsprechend auch keine Menschen, denen die eigene Bestätigung im Nachtleben besonders wichtig ist. Es ging in der Tanzhalle ausschließlich darum zu tanzen. Vernünftig unterhalten ging wegen der Lautstärke nicht und zum Hinsetzen haben die Sitzgelegenheiten gefehlt. Man hat also genau zwei Dinge getan - getanzt oder sich einen Drink geholt. Erfreulicherweise ging auch Beides gleichzeitig. Besonders eine Nacht ist uns in Erinnerung geblieben - Michi Lange hatte ein überragendes Allnight Long Set gespielt und ist für die letzte Platte mit auf die Tanzfläche gekommen, um zusammen mit den letzten Feierenden das Ende des Sets zu erleben - und zwar aus der Sicht derjenigen die tanzen, nicht aus Sicht des DJs, der sich feiern lässt.

Christian, ich und ein riesengroßer Freundeskreis haben uns oft nach einer langen Nacht noch ein Croissant bei der „bärtigen Bäckerin“ geholt. Diese (bärtige) Transdame hat bei einem Bäcker um die Ecke gearbeitet und hat mit sehr schlechter Laune dem Feiervolk sehr gute Croissants verkauft. Verrückterweise trug sie sehr stilvolle Guccischuhe.

Neben der Tanzhalle haben wir auch einige Nächte im Hamburger Click verbracht. Einem Club im ersten Stock eines Gebäudes am Nobistor (das Gebäude wurde abgerissen und heute ist da die Endoklinik drin). Erheblich größer als die Tanzhalle mit einem sehr ausgefeilten Lichtsystem und einer präzisen Anlage hat dieser Laden einen neuen Maßstab im Hamburger Nachtleben gesetzt. Insbesondere was das Booking anging, konnte sich das Click mit Berliner Clubs durchaus messen. Miss Kittin, Roman Flügel, Jennifer Cardini und Ivan Smagghe haben sich dort regelmäßig die Klinke in die Hand gegeben und für ausufernde Nächte gesorgt. Christian und ich waren gerne schon relativ früh dort - vor allem wegen der Warm Up Sets von den Residents wie Harre, Henry und Marc Schneider. Dort haben dann direkt am Fenster mit Blick auf die Reeperbahn den ersten Drink genommen, die Meute auf dem Kiez begutachtet, den Warm Up Sound genossen und die Anfangsdynamik einer exzessiven Clubnacht auf uns wirken lassen.

Es gibt übrigens kaum Photos aus dieser Zeit, schlicht weil Smartphone Kameras nicht existierten. Das führte dazu, dass sich der Hedonismus, der zum Nachtleben dazugehört, nicht auf Instagram, sondern im Club - am Ort des Geschehens - ausufernd gelebt wurde und die Nächte vielleicht auch ein bisschen intensiver gemacht hat, als es heute möglich sein kann. .

Mittlerweile sind beide Clubs schon lange von der Bühne des Hamburger Nachtlebens verschwunden und wir sind älter geworden. Heute - wenn nicht gerade Lockdown ist - bestimmen Clubs wie der Südpol, das PAL und der Baalsaal den Takt der Nächte.

Dennoch ist der Sound dieser Phase für uns immer etwas besonderes geblieben - deshalb haben wir diesen heute für euch sauber zusammen gemixt und als Spotify Playlist angelegt.









Die Suche nach dem perfekten Mixtape hat ein Ende


Mit Mix-CDs ist es ja so eine Sache. Im Netz finden sich unendlich viele DJ Mixe von Bedroom-DJs, die damit auf den großen Durchbruch hoffen. Manchmal klappt's ja auch, wie man an dem Phänomen “Falscher Hase" sieht, in vielen Fällen sind aber gerade diese Mixe eine recht lieblose Aneinanderreihung von beliebigen Tracks, die gnädiger weise dank Traktor wenigstens noch erträglich gemixt sind. Dann gibts viele Promo-Mixe von bekannten DJs, die häufig gut - erwähnt seien hier, die Mixe auf resident-advisor.net - aber eher für den schnellen Konsum gemacht sind. Aus diesem Grund haben schon diverse Menschen der klassischen Mix-CD ein langsames aber unaufhörliches Sterben prophezeit. Das glaube ich nicht, ich bin fest davon überzeugt, dass es im elektronischen Kontext eine Reihe von Liebhabern gibt, die Spass daran haben, einen ausdifferenzierten und gut durchdachten Mix oft zu hören. Dazu muss der Mix aber das klassische Muster durchbrechen: Zwei deepe Platten als Warm-Up, dann sieben Tracks Vollgas und dann noch drei verkopfte Stücke, die den künstlerischen Anspruch darstellen. Das ist viel zu wenig und dafür braucht es heutzutage das Format Mix CD auch nicht mehr. Ein DJ Mix kann im Übrigen auch nicht das Erlebnis einer Clubnacht widerspiegeln. Dazu muss man schon rausgehen.

Ich finde eine Mix CD muss einen auf eine Reise mitnehmen, verschiedene Stilrichtungen zu etwas Neuem verbinden und zum aufmerksamen Zuhören einladen. Und zwar so sehr, dass man die CD häufig hören möchte, weil sie einem jedes mal Neues offenbart. Quasi ähnlich wie bei einem Album, mit dem Unterschied, dass man auf diese Weise viele neue Künstler kennenlernt. Eine der besten Mix-CDs der letzten Zeit kommt von "Acid Pauli". Martin Gretschmann hat Anfang 2000 mit einem Projekt namens "Console" bereits ein Album veröffentlicht und - das wusste ich bis dato auch nicht - ist Teil der  Band "The Notwist", die sich dem fordernden Indie-Sound verschrieben haben und jüngst ein neues Album released haben. Neben diesen Projekten war Acid Pauli lange Zeit Resident DJ im Spielplatz für Erwachsenen #1, der Bar 25.


Keine der beiden Mixe zielen unmittelbar auf den Dancefloor, sondern bestehen vor allem aus deepen und verspielten Stücken, die in den seltensten Fällen bis zum Ende laufen, sondern oft nur drei Minuten dauern. Dennoch wirkt es nicht zusammengestückelt, sondern wie aus einem Fluss. Das ist vor allem der ausgefeilten Technik von Acid Pauli geschuldet, der viele Stücke auch live direkt einspielt und sämtliche technischen Möglichkeiten nutzt. Bei der  Trackauswahl vor allem auf CD1 merkt man dem Herrn seine häufigen Auftritte in der Bar25 an. "Nu", "Kadebostan", aber auch "Move D" und unser Hamburger Lieblingsgroover "Stimming" machen in Sachen deepes Dancefloor-Moving keine Gefangenen. CD2 nimmt den groovenden Ball mit "DOP", "Gunja & Nicone" oder "Kabala & Liebe" auch bis zur Hälfte der CD auf. Dann wird es experimentell und damit noch interessanter. "Black is "Beautiful", die unvermeidlichen "Autechre" oder auch "The Band That Never Met" nehmen den Hörer mit auf eine Reise in die eher komplexen Randbereiche elektronischer Musik. Wem das übrigens gut gefällt, dem sei Acid Paulis' Album "Mst" empfohlen.

Die knapp zwei Stunden Mix werden nicht eine Sekunde langweilig und ergeben ein sehr harmonisches und rundes Stück Mixkultur. Wunderbar zum Hören alleine oder zu zweit. Letzten Endes nicht wirklich was für den Club, lieber für den Weg nach Hause.


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