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Es gibt nicht DIE Seele von St. Pauli. Es ist die Vielschichtigkeit und Toleranz für Vieles, wenn nicht fast Alles (Frank Egel am 18.10.2014)


Für die Jüngeren unter Euch. Es gab mal so etwas wie Flyer. Da standen Veranstaltungen oder sonstige Neuigkeiten drauf und die waren aus Papier. Im besten Fall hat man die mit ein paar netten und erklärenden Worten in die Hand gedrückt bekommen, und zack wollte man da hin. So geschehen am vergangenen Samstag bei bestem Herbstwetter.


Der Hamburger Photograph Frank Egel stellt sein Projekt "Catch Of The Day" in den neuen Räumen des Selekta Records Store aus. Aus diesem Anlass haben wir mit ihm gesprochen. Und weil wir wenig bis keine Ahnung von Reggae und Dub haben, hat er uns freundlicherweise noch seine aktuelle Top 3 genannt. Das ist schon guter Stuff:


The Minestrells: People get ready ( Studio one )

The Blues Busters: Soon you'll be gone ( Sunshine ) 

Jackie Opel: You send me ( Trojan ) 


Seit Jahren ist Frank in den Straßen von St. Pauli unterwegs. Für den"Catch of the Day fängt er täglich neue Bilder ein von Menschen, Orten und Streetart. Sie dokumentieren Licht und Schatten eines Viertels im Umbruch. Dabei nimmt er dreierlei Perspektive ein. Entweder als Photograph, als langjähriger Bewohner des Viertels oder als Aktivist gegen die Gentrifikation, die in allen alternativen Vierteln der Stadt spürbar ist. Besonders aber auf St. Pauli. Zynischer weise trifft dieses Schicksal auf den Selekta Record Store in dem die Ausstellung noch bis 31.10. zu sehen ist.


Die dürfen nämlich aus ihrem alten Laden in der Bartelsstrasse im Schanzenviertel raus, weil die Miete sportlich verdoppelt wurde, mit der Aussicht auf mehr. Erfreulicherweise haben die Menschen von Selekta in einem Genossenschaftshaus in der Bernhard-Nocht-Strasse eine neue Bleibe gefunden. Alles andere wäre aber auch eine echte Schande gewesen.

Selekta gibt es ungefähr seit 1995 und hat sich im Laufe der Jahre zu einer der ersten Adressen in Sachen Raggae, Dancelhall, Dub und alle weiteren entsprechenden Subgenres entwickelt. Viel Vinyl und vor allem unfassbar viele 7" gibts dort und online zu kaufen. So was funktioniert nur mit sehr viel Liebe und noch mehr Engagement, oder wie so schön auf deren Homepage steht


"Wie so vieles auf der Welt, was Spass macht, ist Reggae eine Kultur der Teilhabe. Mitmachen ist immer besser als am Rand stehen und nur zuschauen. Es sind dieselben Typen, die hier tagsüber am Tresen und abends in einem Club hinter dem DJ-Pult stehen - dieselben Typen, die eine alte Single von Sugar Minott besorgen oder zusammen mit der Legende einfach eine neue aufnehmen konnten."


In dem Umfeld bewegt sich übrigens auch Frank, der ab und an auch selbst auflegt. Nächstes Mal am 31.10. im Goldenen Salon bei der Selekta Night.

Frank Egel und ich haben uns zusammen seine Ausstellung angeschaut und fünf Bilder ausgesucht, die im weitesten Sinne etwas mit Musik zu haben.


Da finden sich tanzende Schatten, die nur in einem bestimmten Licht so wirken und am Ende des Tages nicht mehr tanzen, sondern einfach verschwinden. Und das, wo es doch auf St. Pauli genau anders rum ist


Der Cotton Club in Hamburg - seit Jahrzehnten ein der ersten Adressen in Hamburg für Jazz - macht unmissverständlich klar, wo der Ausgang ist


Eine Punkband mit dem wundervollen Namen "Die toten Bananen" aus Amsterdam finden sich am Hein-Köllisch-Platz zum Gruppenphoto ein.


Die Essohäuser. Ein paar Tage vor dem Abriss.


Die Garderobe im Hamburger Club "Waagenbau"...im Sommer


Zu guter Letzt wollen wir euch ein Video von Frank nicht vorenthalten. Es erzählt viel von Widerstand und Solidarität, packt mich künstlerisch und ist im Heimkind Remix eine Knaller-DrumNBass-Platte.



Ein Gespräch über das Alleinsein


John Allen habe ich kennengelernt, als ich alleine in Köln war und etwas trübsinnig im Hotel den jämmerlichen Inhalt der Minibar betrachtet und daraufhin beschlossen habe, alleine noch mal rauszugehen und mir auf gut Glück ein Konzert anzuschauen. Gelandet bin ich dann im Underground in Köln-Ehrenfeld und die Einmann Vorband war John Allen. Nach seinem Auftritt - der meiner Meinung weit besser war als der Mainact - haben wir uns unterhalten und seitdem locker den Kontakt gehalten. Da John auf der Bühne fast immer alleine auftritt und auch schon des öfteren alleine getourt ist, haben wir uns bei Weißwürschteln und Brezn über die Vor-und Nachteile des Alleinseins ausgetauscht. Und über sein neues Album "Sophomore".

Mixtape mit Freunden: Erzähl uns mal ein bisschen was übers Alleinsein.

John: Das Schöne am Alleinsein - vor allem auf Tour - ist, dass man so wunderbar selbstbestimmt ist. Ich hab Bock den Song schneller zu spielen, dann mach ich das. Und vergesse ich eine Textzeile, dann improvisiere ich eben. Will ich nach nem Auftritt mit Gästen noch einen trinken gehen, dann mach ich das. Und wenn ich schlafen gehen will, dann mach ich das auch. Den größten Nachteil habe ich auf langen recht einsamen Autofahrten empfunden. Irgendwann hat man auch das beste Hörspiel satt und das Lieblingsalbum über. Dann will man mit jemanden sprechen. Ich habe mich aber auch auf der Bühne schonmal recht alleine gefühlt. Wenn in nem Club nur vier Gäste sind, dann kann eine Bühne schon sehr groß sein und man selbst recht klein.


Mixtape mit Freunden: In Köln hast du die Leute tatsächlich dazu gebracht mitzusingen. Ich vermute mal, dass du dich dabei überhaupt nicht alleine fühlst.

John: Nein, wenn die Leute mitsingen ist das toll. Es reduziert die Distanz zwischen einem selbst und den Gästen ganz enorm. Die Leute applaudieren danach auch mehr und länger.


Mixtape mit Freunden: Wahrscheinlich auch, weil sie sich selbst beklatschen, dass sie sich getraut haben laut zu singen.

John: Da mag was dran sein. Alle werden dadurch irgendwie zu Komplizen. Das finde ich schon ziemlich gut. Bei dem Auftritt in Köln - bei dem wir uns kennengelernt haben - hab ich das zum ersten Mal gemacht und es direkt geklappt. Der Kölner an sich ist für etwas auch eher zu haben.


Mixtape mit Freunden: Best and worst moment in tour life?

John: Es gibt zwei "beste" Momente. Einmal der Abschluss der Tour mit Frank Turner im knallvollen e-Werk in Köln. "Zugabe" Sprechchöre sind schon was sehr abgefahrenes. Und mein eigenes Konzert in der Astrastube in Hamburg. Dort waren knapp 100 Leute, die nur für mich da waren und nur für mich Eintritt bezahlt haben. Das war schon Wahnsinn. Den zweifelhaftesten Moment habe ich in Berlin erlebt. Der Typ in dem Laden wusste gar nicht, wer ich bin und das ich da spiele, weil ihm der Booker nichts davon erzählt hatte. Daraufhin hat er mich in einen Raum im Keller geschickt und dort habe ich für zwei Freunde gespielt, die gekommen sind. Oben lief derweil ein völlig anderes Programm


Mixtape mit Freunden: Kein Moment großer Geselligkeit?

John: Auf keinen Fall. Aber weisst du, die beiden Leute haben sich den Tag so geplant, dass sie mich sehen können. Sie haben dafür Eintritt bezahlt und daher verdienen sie auch ne ordentliche Show. Und das versuche ich dann auch zu liefern. Aber manchmal ist es auch skurril. Ich bekomme nämlich gar nicht so wenige Mails, die mit folgendem Satz beginnen: "Ich weiss gar nicht, ob du deine Mails selber liest, falls nicht, bitte an John weiterleiten". Den Satz hätte die Person vermutlich nicht geschrieben, wenn sie bei dem denkwürdigen Konzert mit meinen beiden Freunden in Berlin dabei gewesen wäre.


Mixtape mit Freunden: Was war dein eindrucksvollstes Erlebnis mit einem Fan?

John: Nach einem Konzert kam mal eine Lady zu mir und bat mich die Textzeile eines meiner Songs auf ein Blatt Papier zu schreiben "If you searching for a home, just go where your heart tells you to go". Das habe ich dann auch brav gemacht. Daraufhin sagte sie, sie würde sich das die nächsten Tage genauso tätowieren lassen. Vor lauter Aufregung und Rührung habe ich ihr erstmal das Blatt Papier wieder abgenommen und den Text in schönster Sonntagsschrift noch mal geschrieben. Ein schöneres Kompliment kann man als Musiker nicht bekommen.


Am Ende des Gesprächs hat mir John sein Album "sophomore" in die Hand gedrückt. Das läuft mittlerweile schon zum fünften Mal. Einfach weil es ziemlich gut ist. Johns Stimme ist eindringlich und die Lyrics regen zum Nachdenken an. Und der Sound fördert eine unbändige Lust, die Familie und ein paar Freunde in einen Bully zu packen und ans Meer zu fahren. Der Rolling Stone hat es folgendermassen ausgedrückt: "Der Hamburger Singer / Songwriter entwirft schön schlichten Folk-Punk". Kann man so stehenlassen.


Johns Freundin betreibt im Übrigen einen kleinen und feinen Blog, der in Hamburg schöne Orte zum Frühstücken diggt. Finden wir gut, sowohl Frühstücken als auch kleine und feine Blogs.

Unverhofft kommt oft - hier ein Sonntag Abend Rave


Ich habe GusGus ehrlicherweise in den letzten Jahren ein bisschen vom Radar verloren. Sogar deren Hitalbum "Arabian Horse" ist völlig an mir vorbeigegangen. Dann kam der Remix von Maceo Plex für "Crossfade“, dem man sich aus gutem Grund dieses Jahr überhaupt nicht entziehen konnte. Riesenhit, finden alle gut und ich hab beschlossen aufs Konzert zu gehen.


Sonntag Abend habe ich im Mojo mit einem lange nicht gesehenen Kumpel getroffen. Biertrinken, Musiknerdtalking und Abhängen. So kann man es aushalten. Nervigerweise ging's dann nach der Vorband erst um 22.00 los, aber dann gab es kein Halten mehr. Die Tracks auf dem neuen Album für sind sowieso ziemlich für den Dancefloor produziert und GusGus haben das live noch mehr auf den Punkt gebracht.

Supersound, passende Visuals und die beiden Frontmänner machen auch keine Gefangenen. Ein Wikinger mit langen blonden Haaren und einem enormen Vollbart steht neben einem Herrn, der eine gesteppte Samtjacke trägt, sich gelinde gesagt recht weiblich auf der Bühne bewegt und für seinen perfekten Hüftschwung sicherlich lange geübt hat. Aber das trifft den Nerv des Publikums. Eine lustige Mischung aus 40-50 jährigen Fans, den üblichen Musiknerds, hübschen Indiemädels und einer exklusiven Auswahl der Hamburger Gay Community geht von Beginn an richtig mit und so fühlen wir uns gegen 23.00 als wären wir auf einem Rave und es wäre kurz vor 06.00. Bei der aktuellen Single "Obnoxiously Sexual" dreht der Laden dann völlig durch und man hat den Eindruck, dass niemand am folgenden Montag morgen arbeiten müsste. Super!


Das Ganze ist im Hamburger Mojo Club auch genau am richtigen Ort. Wer noch nicht da war, unbedingt hingehen. Architektonisch mehr als beeindruckend, die beste Anlage der Stadt, ein Top Booking und ne sehr sympathische Crew.


Ach ja, das Album. Das ist eine gelungene Mischung aus Erasure, Alter Ego und klassischem Kompakt Techno. Ordentlich Bass, viel Synthiesounds und gute Vokals. Nix fürs romantische Frühstück am Samstag morgen und wahnsinnig vergeistigt ist es auch nicht. Dafür macht das ganze Album wirklich Spass, hat ein paar Tracks mir genug Drama für den Herbst und vor allem bringt es Einen zum Tanzen. So wie uns bei dem unverhofften kleinen Sonntag Abend Rave!



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