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Rave ist nicht alles


Wer sich in den letzten Jahren auf Festivals oder in den entsprechenden Clubs dieser Welt rumgetrieben hat, dem wird David August ein Begriff sein. "Epikur" war in 2014 ein Konsenshit auf den sich so ziemlich alle Genreliebhaber einigen konnten. Davor war es vor allem der Track "Hamburg is for Lovers" (was im Übrigen stimmt), der den jungen Herrn auf die internationale Landkarte der elektronischen Musik katapultiert hat.


In 2013 wurde dann endlich sein Debutalbum auf seinem damaligen Heimatlabel Diynamic - deren Protagonisten wir eigentlich alle gut finden, allen voran DJ Phono - veröffentlicht und damit konnte David August beweisen, dass er weit mehr kann, als über alle Zweifel erhabene Househymnen zu produzieren.


"Times" hat den Club überhaupt nicht im Visier, sondern besteht aus musikalisch sehr anspruchsvollen Tracks, die am ehesten noch an der Schnittstelle zwischen Pop, Electronica und Downbeat anzusiedeln sind. Vielleicht vergleichbar mit dem Listening-Sound von Nicolas Jaar.


Der Opener "Help Me Through" wird von einer eindringlichen Stimme, einem simplen Beat und einer einfachen Synthesizer Tonfolge getragen. Dabei entfaltet der Track sehr viel Präsenz und zeigt wieder einmal, dass es nicht die Anzahl der Effekte sind, die Musik eindrucksvoll macht, sondern deren richtige Anwendung. "For Eternity" oder "Blossom" tragen ein leichtes Housegewand, sind aber weit davon entfernt, für den Club gemacht zu sein.


Das Grundgerüst der meisten Tracks ist erstaunlicherweise ein bisschen Melancholie. Und das, obwohl in fast allen Tracks ein ordentlicher Beat den Tackt angibt. Ausnahmen bestimmen die Regel und so könnte "Hommage" auch der Soundtrack eines französischen Arthaus-Films sein. Alle Tracks sind bis ins letzte Details ausproduziert und klingen warm und organisch.


Mir fällt es schwer das Album noch besser und differenzierter zu beschreiben. Manchmal hat Frank Zappa, die alte Keule, doch recht, wenn er sagt "Über Musik zu reden, ist wie über Architektur zu tanzen". Fassen wir dennoch zusammen. Das Album hat mit Rave und Club nix im Sinn, sondern ist zum aufmerksamen Zuhören gemacht. Alleine oder in Gesellschaft, beim Trinken jenseits der Schnäpse am Clubtresen oder beim Reisen. Tolles Album!



Von der Schönheit der Klaviermusik und einer angenehmen Facebook Nominierung


Chilly Gonzales - Solo Piano I

Glück gehabt. Die etwas leidige #Icebucketchallenge Geschichte ist an mir vorbeigegangen. Entweder hatten meine weniger als 200 FB Freunde Mitleid oder mich hatte schlicht keiner auf dem Radar. Anders als es um die - für mich weit relevantere - Frage der Top 10 Lieblingsalben ging. Da wurde ich von einem sehr guten Freund und Rave-Brother-In-Crime aus Berlin nominiert. Ehrensache, dass ich im Anschluss den zweiten auditory cheesecake Protagonisten und meinen Lieblingsblog- und DJ-Komplizen Christian nominiert habe. Mit den meisten der Top 10 haben wir uns hier schon ausführlich auseinander gesetzt. Mit der Platte, dich ich ohne Nachzudenken und einwandfrei als das meist gehörte Album benennen kann, allerdings noch nicht. Kein verkopfter Dubstep, kein deeper House, kein wummernder Techno und nein, auch kein Jazz an der Grenze des Unhörbaren, sondern ein Album, dass ausschliesslich aus Klavierstücken besteht.


Chilly Gonzales ist ein Künstler für den das schöne Attribut vielfältig eine gehörige Untertreibung darstellt. Übers E-Piano gerappt und das ganze auf Kitty-Yo veröffentlichen? Die TV Werbung für das erste Ipad musikalisch veredeln? Zusammenarbeit mit Peaches und Feist? Film namens Ivory Tower drehen? Live Auftritte auf die Bühne bringen, für die das Wort Spektakel nicht mal annähernd eine adäquate Beschreibung darstellt? Sich selbst als den Präsident des Berliner Untergrunds titulieren? Musiker, die angeben, vornehmlich für sich selbst zu spielen,  „Onanisten“ nennen?


Check! Check! Check! Check! Check! Check! Check! Check!


Ich empfehle den folgenden Liveauftritt in Ruhe und komplett anzuschauen. Ich weiss, 18.26min sind eine sehr lange Zeit und die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eher kurz. Aber: Die Mischung aus Samtsakko und Bademantel, die Rapskills des Kanadiers und der harmonische Battle zwischen Ipad und Steinway Flügel sind es wert!


Solo Piano ist ein tief bewegende, harmonische und sehr ausgewogene Ansammlung an Pianotracks, die sich am ehesten an der Schnittstelle zwischen Jazz und Klassik einordnen. Allerdings dahingehend, dass die gelegentliche Hektik des Jazz, ebenso wie die manchmal etwas Überhand nehmende Dramatik klassischer Musik aussen vor bleiben. Das ganze Album ruht in sich und gibt dem Hörer die Möglichkeit den Klang zu geniessen. Dabei kann man sich unterhalten oder es eben auch lassen. Das Album ist entweder für den Stillstand - auf der Couch - oder für die langsame Bewegung eines Spazierganges gemacht. Oder auf die Welt dazwischen, wie ich das Reisen im Zug empfinde. Da sitzt man nämlich still und rast gleichzeitig durch die Landschaft. Und - schauen wir der Wahrheit tapfer ins Auge - ist Solo Piano das perfekte Album, um verkatert den Sonntag an sich vorbeiziehen zu lassen.


Der guten Ordnung halber wollen wir euch natürlich unsere Top 10 aller Lieblingsalben nicht vorenthalten. Bei der Gelegenheit nominieren wir EUCH ALLE!


Florian:

Metro Area - Metro Area

Grooverider - Mysteries of Funk

Alex Smoke - Incommunicado

Bugge Wesseltoft und Henrik Schwarz - Duo

Dj Phono - Welcome to wherever you are not

Fat Boy Slim - You've Come a Long Way Baby

Felix Laband - Dark Days Exit

Ghostpoet - Some Say I So I Say Light


Christian:

The Whitest Boy Alive - Dreams

Kings of Convenience - Riot On An Empty Street

Arcade Fire - Neon Bible

Interpol - Antics

The Organ - Grab That Gun

Cat Power Sun - You Are Free

Neil Halstead - Palindrome Hunches

CHVRCHES - The Bones Of What You Believe

Burial - Untrue

Audision - Surface To Surface

Zwischen Traurigkeit, Melancholie und Schönheit


Endlich! Der tolle Sommer, der Wahnsinnsspätsommer und der noch bombastischere Herbst sind endlich vorbei. Man kann wieder depressive Musik hören und dabei alleine spazieren gehen ohne ständig das Gefühl zu haben, das geilste OpenAir, den phattesten Beachclub und die dollste Party mit den freshesten Leuten zu verpassen.


Nein! Jacke und Schal an, Mütze auf, darüber den Kopfhörer und raus in den Regen und Matsch. Und genau für diesen Anlass gibt es tolle Musik. Felix Laband hat sein Album "Dark Days Exit" in 2005 auf Compost Records veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir alles, ich wiederhole ALLES auf Compost angehört und mindestens die Hälfte davon gekauft. Das ist mittlerweile etwas abgeebt. Ehrlicherweise auch deshalb, weil deren Veröffentlichungen typischerweise eine lange Halbwertszeit haben. Über diesen Weg bin ich auch auf Laband gestoßen und der Südafrikaner - bzw sein Album - ist mir seitdem ein treuer Begleiter für die Zeit zwischen November und März.


"Dark Days Exit" kommt fast ohne Vocals aus und ich wäre tatsächlich sehr an dessen Produktionsweise interessiert. Auf weiten Strecken wirkt das Album nämlich recht organisch eingespielt und teilweise ziemlich roh. So zum Beispiel "Dirty Nightgown", da kommt sogar zwischenzeitlich so etwas ähnliches wie ein 4/4 Beat zum Vorschein, sehr verschleppt allerdings. "Miss Teardrop" war seinerzeit im Grunde sogar ein kleiner Hit und macht tatsächlich Spass. Klingt ein bisschen wie auf dem Xylophon meines Sohnes eingespielt und ist mit ein paar Synthie-Sounds gehörig aufgepeppt. Ganz klar ein Kandidat in Sachen Schönheit. Ähnlich wie auch "Falling Off A Horse", das mit einem wunderbar gepfiffenen Loop besticht. Melancholischer wird es dann eher bei "Sleeping Househod" oder der knapp 11 minütlichen Soundkollage "Minna And The Notes After". Auch die traurig depressive Ecke wird bedient, "Black Shoes" ist einer der wenigen Tracks in dem Vocals eine Rolle spielen und das macht die eindringliche Stimme auch sehr beklemmend.


In dem Dreieck aus Traurigkeit, Melancholie und Schönheit bewegt sich das ganze Album. Und das tut es sehr sehr langsam. Also, ernsthaft nichts für den Sommer und auch nichts für die gute Laune. Aber perfekt, um an einem kalten Tag durch Wald oder Park spazieren zu gehen und den eigenen Gedanken nachzuhängen.

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