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Gregor Schwellenbach - Spielt 20 Jahre Kompakt Auf Dem Klavier

Der Soundtrack für den technoiden Hochkultur-Avantgardisten


Hört mir auf über das Leben in der Großstadt zu meckern. All das Gejammere zu den hohen Mieten, den fehlenden Parks und dem vermeintlich ach so beengten Leben. In einer Großstadt kann man auf einen Freitag Abend einen virtuosen Menschen namens Gregor Schwellenbach erleben, der die größten Hits des Kölner Vorzeigelabels Kompakt spielt - auf dem Klavier. Mit dem Rücken zum Publikum. Und dazu die schönsten Anekdoten aus 20 Jahre Techno aus Kölner Perspektive erzählt. Und einem dabei charmant die Wichtigkeit des sogenannten "Triolischen Achtel" im Kontext des Schaffeltechnos näher bringt. Bei allem Respekt - das wird in Bruchsal so schnell nicht passieren.


Aber eins nach dem anderen. Kompakt ist 20 Jahre alt geworden. Das ist zum Einen ein Stück sehr erfreuliche Konstante im kaum überschaubaren Labelwirrwarr und zum anderen verkörpert das Label mit diesem Jubiläum durchaus ein Stück deutsche Musikgeschichte. Gregor Schwellenbach nimmt sich der verantwortungsvollen Aufgabe an, dieses Ereignis musikalisch zu würdigen, in dem er eine Reihe toller Kompakt Veröffentlichungen vor allem - aber nicht nur - auf dem Klavier einspielt. Bei manchen Tracks läßt er sich von einem Orchester oder auch nur einer Blockflöte unterstützen.



Das klingt toll und überhaupt nicht nach Clubsounds, sondern nach moderner klassischer Musik, die eigentlich in die großen Konzertsäle dieser Welt gehört. “Vision 03“ beispielsweise - das mir schon im Original seinerzeit die Tränen in die Augen getrieben hat - ist in der Klaviervariante so schön und emotional ergreifend, dass meine Frau und ich im Konzert mit geschlossenen Augen dastanden und nichts als geniessen konnten. Departures interpretiert die Dramatik des Techno so treibend, dass ich mich an die Vertonung eines krassen Stummfilms von 1922 erinnert fühle.


Viele Stücke sind recht experimentell und sind auch keine leichte Kost. "Gong Audio" zum Beispiel stellt den Gongloop sehr in den Vordergrund und entwickelt damit eine beklemmende Stimmung, ähnlich mancher Detroit Techno Platte von Carl Craig oder Moritz von Oswald. So auch "Domino" von Oxia - hier ist es die Violine, die den Zuhörer packt. Dagegen bauen Tracks wie "Everlasting" von Kaito, "Vision 03" oder "one two three no gravity" eine eher entspanntere Stimmung auf, die dem Album als Ganzes gut tun. Ich rate dringend davon ab nur einzelne Tracks  zu kaufen. Das würde dem Album - und damit eurem Hörerlebnis - die Dramatik, den Anspruch und vor allem die Ausgewogenheit nehmen. Und ihr würdet euch um ein tolles Stück Cover Artwork , inklusive der Klaviernoten zu allen Stücken und einem umfangreichen Booklet, bringen.


Zum Schluss stellt sich die Frage zu welchem Anlass man diese Musik wohl hören möge? Da gibt es diverse Gelegenheiten. Wer den verehrten Schwarm beim ersten Date oder den überraschten Freundeskreis vom eigenen intellektuellen Anspruch überzeugen möchte, der findet damit den passenden Soundtrack. Wer alleine am See spazieren möchte auch. Und wer auf der Couch sitzen will und das Bedürfnis hat, guter Klaviermusik zuzuhören - so wie ich - dem wird das Album auch viel Freude bereiten. Vor allem dann, wenn man - so wie ich - danach die alten Kompakt Total Sampler aus dem CD Regal holt, um die Originalversionen auch mal wieder zu hören. Bei der Gelegenheit: Wann legen Michael Mayer, Superpitcher oder Justus Köhncke mal wieder in Hamburg auf?



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