top of page

denken Sie groß


Deickind ist ehrlicherweise nicht so wirklich unser Ding. Klar, DJ Phono finden wir super, aber mit dem Geballer können wir eigentlich nicht so viel anfangen. Aber die Attitüde, bei der eher zweifelhaften Echoverleihung mit so einem Outfit aufzutauchen, verdient unseren vollen Respekt. Und die Message sowieso.




Von der Schönheit der Klaviermusik und einer angenehmen Facebook Nominierung


Chilly Gonzales - Solo Piano I

Glück gehabt. Die etwas leidige #Icebucketchallenge Geschichte ist an mir vorbeigegangen. Entweder hatten meine weniger als 200 FB Freunde Mitleid oder mich hatte schlicht keiner auf dem Radar. Anders als es um die - für mich weit relevantere - Frage der Top 10 Lieblingsalben ging. Da wurde ich von einem sehr guten Freund und Rave-Brother-In-Crime aus Berlin nominiert. Ehrensache, dass ich im Anschluss den zweiten auditory cheesecake Protagonisten und meinen Lieblingsblog- und DJ-Komplizen Christian nominiert habe. Mit den meisten der Top 10 haben wir uns hier schon ausführlich auseinander gesetzt. Mit der Platte, dich ich ohne Nachzudenken und einwandfrei als das meist gehörte Album benennen kann, allerdings noch nicht. Kein verkopfter Dubstep, kein deeper House, kein wummernder Techno und nein, auch kein Jazz an der Grenze des Unhörbaren, sondern ein Album, dass ausschliesslich aus Klavierstücken besteht.


Chilly Gonzales ist ein Künstler für den das schöne Attribut vielfältig eine gehörige Untertreibung darstellt. Übers E-Piano gerappt und das ganze auf Kitty-Yo veröffentlichen? Die TV Werbung für das erste Ipad musikalisch veredeln? Zusammenarbeit mit Peaches und Feist? Film namens Ivory Tower drehen? Live Auftritte auf die Bühne bringen, für die das Wort Spektakel nicht mal annähernd eine adäquate Beschreibung darstellt? Sich selbst als den Präsident des Berliner Untergrunds titulieren? Musiker, die angeben, vornehmlich für sich selbst zu spielen,  „Onanisten“ nennen?


Check! Check! Check! Check! Check! Check! Check! Check!


Ich empfehle den folgenden Liveauftritt in Ruhe und komplett anzuschauen. Ich weiss, 18.26min sind eine sehr lange Zeit und die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eher kurz. Aber: Die Mischung aus Samtsakko und Bademantel, die Rapskills des Kanadiers und der harmonische Battle zwischen Ipad und Steinway Flügel sind es wert!


Solo Piano ist ein tief bewegende, harmonische und sehr ausgewogene Ansammlung an Pianotracks, die sich am ehesten an der Schnittstelle zwischen Jazz und Klassik einordnen. Allerdings dahingehend, dass die gelegentliche Hektik des Jazz, ebenso wie die manchmal etwas Überhand nehmende Dramatik klassischer Musik aussen vor bleiben. Das ganze Album ruht in sich und gibt dem Hörer die Möglichkeit den Klang zu geniessen. Dabei kann man sich unterhalten oder es eben auch lassen. Das Album ist entweder für den Stillstand - auf der Couch - oder für die langsame Bewegung eines Spazierganges gemacht. Oder auf die Welt dazwischen, wie ich das Reisen im Zug empfinde. Da sitzt man nämlich still und rast gleichzeitig durch die Landschaft. Und - schauen wir der Wahrheit tapfer ins Auge - ist Solo Piano das perfekte Album, um verkatert den Sonntag an sich vorbeiziehen zu lassen.


Der guten Ordnung halber wollen wir euch natürlich unsere Top 10 aller Lieblingsalben nicht vorenthalten. Bei der Gelegenheit nominieren wir EUCH ALLE!


Florian:

Metro Area - Metro Area

Grooverider - Mysteries of Funk

Alex Smoke - Incommunicado

Bugge Wesseltoft und Henrik Schwarz - Duo

Dj Phono - Welcome to wherever you are not

Fat Boy Slim - You've Come a Long Way Baby

Felix Laband - Dark Days Exit

Ghostpoet - Some Say I So I Say Light


Christian:

The Whitest Boy Alive - Dreams

Kings of Convenience - Riot On An Empty Street

Arcade Fire - Neon Bible

Interpol - Antics

The Organ - Grab That Gun

Cat Power Sun - You Are Free

Neil Halstead - Palindrome Hunches

CHVRCHES - The Bones Of What You Believe

Burial - Untrue

Audision - Surface To Surface

Es regnet. Zeit sich wieder den wesentlichen Dingen im Leben zu widmen. Classic Drum'n'Bass zum Beispiel


Ich komme ursprünglich aus einer Gegend, in der man Ende der 90er zwangsläufig  mit Drum'n'Bass und dessen Subgenres in Berührung kam. In Mannheim gab es damals einen legendären Club namens “Milk“ und eine ganze Reihe von DJs mit denen man mit 15 auf einem Weinfest billigen Fusel getrunken hat und die plötzlich ein oder zwei Jahre später - zumindest für kurze Zeit - ziemlich durchgestartet sind. Beispielshalber sei hier Bassfase Sascha und DJ Viper genannt. Mich hat der Sound damals ziemlich kalt gelassen. Irgendwie war's mir zu stressig, zu hart, zu wenig Groove und die Leute, die sich dazu auf den Parties rumgetrieben haben, waren mir auch nicht so ganz geheuer. Letzteres ist heute auch noch so, aber vielleicht bin ich auch einfach zu alt. Den Sound mag ich aber neuerdings. Interessanterweise bin ich über Post-Dubstep-Acts wie Burial überhaupt mal wieder auf die Idee gekommen, mich mit den Wurzeln dessen, also mit klassischem Drum'n'Bass zu beschäftigen.

Da kommt man offensichtlich an Grooverider nicht vorbei. Der Mann ist seit den 80ern im Geschäft und hat das Genre zu dessen Hochphase Mitte und Ende der 90er entscheidend mit geprägt. Erstaunlicherweise nicht so sehr durch die Vielzahl seiner eigenen Veröffentlichungen, sondern durch seine DJ Sets, seiner eigenen Radioshow (auf BBC!!) und dem Einfluss seines eigenen Labels namens Prototype Records. Das Album "The Mysteries of Funk" gilt davon unabhängig als eines der wichtigsten DnB Alben, die je veröffentlicht wurden. Mit solchen "Ehrentiteln" bin ich typischerweise sehr vorsichtig. Ein wirklich genreprägendes Album muss aus meiner Sicht schon ein paar mehr Kriterien erfüllen, als schlicht gut zu sein. So muss es heute noch aktuell klingen und darf nicht das Gefühl des "hab ich schon hundertmal gehört" hinterlassen. Und das gilt sowohl für die Kreativität des Sounds, als auch die schnöde technische "Produktion".


Grooverider schafft es über 13 Tracks hinweg eine bemerkenswerte Stimmung zu entfalten. Wahrscheinlich deshalb, weil das Album an sich ziemlich funky ist und er das originär Anstrengende, das Schnelle und Harte zugunsten von Vocals, Dubeffekten und sogar jazzigen Elementen zurücknimmt. Besonders merkt man das an Hybridtracks wie "Rainbow of Colour", "Cybernetic Jazz" oder "Imagination". Diese Tracks hätten in leicht abgeschwächter Form seinerzeit auch von Kruder & Dorfmeister produziert sein können. Bei den härteren Nummern, wie "Where is Jack The Ripper" oder "560 Degrees" beweist Grooverider aus welchem (DJ) Stall er kommt. Dieser Sound charakterisiert seine früheren DJ Sets ziemlich genau auf den Punkt. Hart, dunkel und fordernd, aber sehr differenziert und mit klar hörbarem musikalischem Schwerpunkt.


Bei dem ganzen Album fällt es mir schwer, still zu sitzen, sondern ich merke, wie ich beim Schreiben nicht aufhören kann, mit dem Kopf zu nicken und locker mit zu grooven. Dennoch: Bei aller Funkiness, Drum'n'Bass ist hart und kompromisslos. Das hört man nicht beim Frühstück im Cafe, nicht beim sommerlichen Open Air und auch nicht auf der Fahrradtour zum See. Generell würde ich das eher als Sound für die Nacht beschreiben, den man entweder alleine oder mit einem Freund hört, der bereit ist, sich darauf einzulassen. Vielleicht auf einer gemeinsamen langen Autofahrt, bei der man sich viel zu erzählen hat aber auch mal schweigen kann. Oder muss, weil der Klang es verdient, dass man ihm zuhört.

bottom of page